Wildkatzen sind hübsche und äußerst scheue Waldbewohner, die großflächige zusammenhängende Waldgebiete und naturnahe Wiesenflächen zum Überleben benötigen.
Die heutzutage allgemein voranschreitende Übernutzung der Natur durch die intensiv betriebene Land- und Forstwirtschaft, raubt unzähligen Wildtieren ihren natürlichen Lebensraum. Dies wirkt sich spürbar nachteilig auf ihren Aktionsradius sowie die Artenvielfalt aus. Die europäische Wildkatze galt in unseren Breiten jahrzehntelang als quasi ausgestorben. Auf Grund aufwändiger Wiederansiedlungsprojekte zahlreicher Umweltschutzorganisationen sind die seltenen „Wildtiger“ seit einigen Jahren dabei sich ihr einstiges Revier langsam wieder zurückzuerobern.
Grau getigert ist nicht gleich grau getigert – der feine Unterschied!
Auf den ersten Blick ähneln Wildkatzen mit ihrem grau bis bräunlich getigertem Fell sehr den Hauskatzen. Bei genauerem Hinsehen erweisen sich dem geschulten Auge jedoch einige markante Unterscheidungsmerkmale. Beispielsweise zeichnen sich die wilden Varianten mit einem auffallend buschigeren, dunkel mehrfach geringelten sowie schwarz-endenden stumpfen und relativ kurzen Schwanz aus. Während Hauskatzen mit einem dünneren und eher spitz auslaufenden Schwanz ausgestattet sind. Die verschwommene Fellzeichnung der scheuen Waldtiger wirkt bei weitem nicht so kontrastreich wie bei Hauskatzen. Ebenso ist ein weißer Fleck an der Kehle kennzeichnend für Wildkatzen. Desweiteren sind Streifungen am Genick und Schulterbereich signifikante Unterscheidungskriterien. Auch können sie mit einem dickeren Kopf mit breiterer Schnauze aufwarten und sind allgemein etwas größer und weitaus kräftiger und gedrungener, zudem haben sie dickere Läufe als ihre „häusliche“ Verwandtschaft. Ihre Schnurrhaare sind weiß und kräftig ausgebildet, der Nasenspiegel ist heller, ebenso wirken ihre Ohren auf Grund des längeren Kopfhaares kleiner.
Mit feinstem Equipment auf die Pirsch
Ende August beginnt sich bei Wildkatzen das Winterfell zu entwickeln. Dieses weist fast doppelt so viele Haare auf wie ihr Sommerkleid, auch sind sie länger ausgebildet. Männliche Wildkatzen, auch Kuder genannt, unterbrechen lediglich zur Paarungszeit das ansonsten ganzjährig gelebte Einzelgängerdasein. Danach trennen sich ihre Wege wieder, denn die Aufzucht der Jungen liegt alleine in der Obhut der Weibchen.
Wildkatzen haben eine Tragzeit von 63 bis 69 Tagen. Zwischen Frühjahr und Herbst gebähren sie durchschnittlich zwei bis vier, allerhöchstens sechs Junge pro Wurf. Anfangs sind diese blind und völlig von ihrer Mutter abhängig. Leider überleben nur etwa die Hälfte der jungen Wildtiger das erste Lebensjahr. Die Jungkatzen sind Beutetiere von Uhu, Habicht, Fuchs und Luchs, während Alttiere lediglich bei Luchs und Wolf ins Beuteschema passen. Häufig wechselt die Mutter das Quartier, um dadurch besseren Schutz vor Feinden zu wahren. Auf dem Speiseplan der Waldkatzen stehen in erster Linie Mäuse. Ebenso vertilgen sie Kleinvögel, Reptilien, Kaninchen und Insekten, während pflanzliche Nahrung auf der Beliebtheitsskala ganz hinten angesiedelt ist.
Im Alter von ungefähr sechs Wochen werden die Katzenjungen neben Muttermilch auch mit fester Nahrung gefüttert und nach vier Monaten langsam entwöhnt. Im Sommer begleiten sie ihre Mutter bereits bei ihren nächtlichen Streifzügen auf Beutefang. Schneereiche Winter können für sie problematische Züge annehmen, da ihre bevorzugte Beute, nämlich Mäuse, dann oftmals für sie unerreichbar bleiben. In Freiheit erlangen Wildkatzen ein durchschnittliches Alter von 7 – 10 Alter Jahren. Mit 10 Monaten sind Wildkatzen bereits geschlechtsreif und der Kreislauf beginnt von neuem.
Wildkatzen verfügen über beachtlich ausgebildete Sinnesorgane, wie z. B. über einen stark ausgeprägten und Hunden überlegenen Geruchsinn. Die überaus hohe Intelligenz, das starke Gebiss und die kräftigen Pranken, kombiniert mit ihrer schnellen Reaktionszeit und der altbewährten Katzengeschmeidigkeit, befähigen sie als ausgesprochen erfolgreiche Jäger.
Seltene Samtpfoten auf Rückeroberungskurs
Früher wurden die in ganz Europa heimischen Wildkatzen seitens der Jägerzunft regelrecht gehasst und als gefährliche Bestien abgestempelt. Die Aussetzung von Jagdprämien und ihre gnadenlose Verfolgung führten, ähnlich wie bei Wolf und Luchs, zur fast völligen Ausrottung. Lediglich vereinzelte Restbestände konnten sich der radikalen Hetzjagd widersetzen. Die intensiv betriebene Forstwirtschaft sowie die massiv zunehmende Zersiedelung zusammenhängender Wald- und Landschaftsgebiete durch den fortschreitenden Siedlungsbau und die ständige Erweiterung des Verkehrsnetzes, führten ebenfalls dazu, dass viele Teile Deutschlands lange Zeit als völlig Wildkatzen-frei galten. In wissenschaftlichen Fachkreisen stehen Wildkatzen sozusagen als Indikator dafür, wie es um die Biodiversität im Wald und den angrenzenden Feldflächen bestellt ist.
Umweltschutzorganisationen arbeiten mit vereinten Kräften an der nachhaltigen Wiederansiedlung und weiteren Ausbreitung der faszinierenden Waldschönheiten, deren europäische Herkunft wissenschaftlich belegt ist. Glücklicherweise sind die scheuen nachtaktiven Jäger seit einiger Zeit dabei, wieder langsam in ihre frühere Heimat zurückzukehren. Die europaweit geschützten Wildkatzen bevorzugen naturbelassene großflächig ausgedehnte Laub- und Mischwälder mit Rückzugs- und Versteckmöglichkeiten im Unterholz wie auch in Baumhöhlen, Fuchs- und Dachsbauen sowie naturnahe Wiesen, wo sie sich fernab negativer menschlicher Einflüsse ungestört entfalten können.
Zu ihren heutigen Hauptverbreitungsgebieten zählen Eifel, Hunsrück, Pfälzer Wald, Westerwald und Taunus, ebenso Teile von Ost-Deutschland wie der Thüringer Wald, Harz und Hainich. Anlass zur Euphorie besteht jedoch leider nicht, denn es ist noch ein weiter Weg bis zur Erholung der Population. Bedauerlicherweise fällt eine Vielzahl der schützenswerten Samtpfoten dem kontinuierlich zunehmenden Straßenverkehr zum Opfer.
Wildkatzenschutzzonen bringen Artenvielfalt zurück
Wildkatzen zählen laut Bundesartenschutzverordnung zu den besonders geschützten Arten, auf der Roten Liste der Wirbeltiere sind sie ebenfalls als gefährdet eingestuft. Zudem stehen sie unter ganzjähriger Schonzeit und dürfen deswegen nicht gejagt werden. Umso mehr bedarf es der Zusammenarbeit von Umwelt- und Naturschützern mit Politikern, Behörden und erfordert Rücksichtnahme und Sensibilisierung wie auch Kompromissbereitschaft von Landbesitzern und Jägern, um ihr zukünftiges Überleben zu sichern.
Für das ausgiebige Wanderverhalten der seltenen Waldkatzen sind zusammenhängende strukturreiche Waldgebiete und heckenumsäumte Wiesen unverzichtbar. Diese sichern neben den benötigten Versteck- und Klettermöglichkeiten auch die notwendige Lebensgrundlage ihrer Beutetiere. Die an ihre Lebensbedingungen angepasste Wiedervernetzung der Wälder durch Ankauf von Wald- und Wiesenflächen sowie Baum- und Heckenbepflanzung und die Errichtung sogenannter Grün- und Wildkorridore, wurde vom BUND initiiert. Erst durch die Ausweitung zerteilter Flächen und Schaffung neuer Lebensräume können sie nunmehr ihrem ausgeprägten Wanderschaftsdrang nachgehen. Dadurch wird der Austausch mit anderen isolierten Wildkatzenpopulationen untereinander gefördert, was Inzucht entgegenwirkt, die ansonsten durch begrenzte Flächen begünstigt wird.
Die Umgestaltung aufgeräumter steriler Waldflächen in sogenannte Urwaldparzellen ist die Gunst der Stunde. Denn nur naturnahe Wälder mit Rückzugsrefugien bieten die notwendige Lebensgrundlage zur Wiedergewinnung bzw. Verbesserung der biologischen Vielfalt. Die Ausweitung von Nationalsparks ist ein wichtiges Instrument, um Deutschlands Wäldern wieder naturnahes und artenreiches Leben einzuhauchen. Davon profitieren neben Wildkatzen auch weitere Waldbewohner wie beispielsweise Spechte, Luchse und viele mehr. Zudem fördern natürliche Wälder mit Totholzinseln einen humusreichen Waldboden, der für die Folgegenerationen unserer heute immer noch stark kränkelnden Bäume, eine dringend benötigte Lebensgrundlage in Aussicht stellt. Das ist besonders in Hinblick auf den sich fortwährend ausweitenden Klimawandel ein erstrebenswerter zusätzlicher Nebeneffekt.
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Autorin Maria Herzger †